Dem Treiben soll endlich ein Ende gesetzt werden
07.07.2023
Die Auseinandersetzung um die Mindestlöhne ist seit dem 18. Juni 2023 um ein Kapitel reicher. Die Städte Winterthur und Zürich haben mit einer Zweidrittelmehrheit einen Mindestlohn beschlossen. Eine entsprechende kommunale Initiative ist vor einiger Zeit in Kloten gescheitert. Was sind die Konsequenzen?
Nach der krachenden Niederlage der gesamtschweizerischen Mindestlohninitiative, die am 18. Mai 2014 mit rund 76% der Stimmen abgelehnt worden ist, kommt nun der Mindestlohn durch die Hintertüre. Mit dem Segen des Bundesgerichts ist 2017 eine Regelung in Neuenburg für gültig erklärt worden, die sogar allgemeinverbindlich erklärte Gesamtarbeitsverträge (ave GAV) übersteuert. Logisch ist das nicht, werden doch national gültige ave GAV nach gewissen Kriterien durch den Bundesrat erlassen. Aber nach Ansicht des Bundesgerichts lassen sich ave GAV offenbar aus sozialpolitischen Gründen aushebeln. Mindestlöhne mit unterschiedlichen Ausprägungen sind in den Kantonen Baselstadt, Jura, Genf und Tessin in Kraft.
Vollzugsprobleme
In Zürich sind 23.90 beschlossen worden, in Winterthur 23.-. Der Flickenteppich ist vorprogrammiert. Damit wird ein kommunaler Mindestlohn zum Vollzugsalbtraum für betroffene Unternehmen und Behörden. Ein Reinigungsbetrieb mit Sitz in Effretikon z.B. müsste lohnmässig genau abrechnen, welche Mitarbeitende wie viele Stunden auf dem Stadtgebiet von Winterthur bzw. in der Stadt Zürich oder ausserhalb beider Gemeinden gearbeitet haben. Das muss wiederum von den Winterthurer bzw. Stadtzürcher Behörden kontrolliert werden. Die Konsequenz wird in mehr Stellen und in mehr Bürokratie für die Unternehmen und die Behörden liegen.
Jobkiller für weniger qualifizierte Personen
Weniger rentablen Branchen droht die Vertreibung aus den beiden Städten. Die vielgelobte Durchmischung und der Branchemix kommen noch mehr unter Druck. Der Mindestlohn wird zum Jobkiller für weniger gut qualifizierte Personen.
Mindestlohn schadet der Berufsbildung
Ein Mindestlohn schadet der Berufsbildung. Werden Löhne automatisch garantiert, lohnt sich eine Lehre bald nicht mehr. Doch ohne Lehre fehlt die Basis für eine Weiterbildung und den wirtschaftlichen Erfolg. Dies kann sich später rächen. In vielen Berufen werden die Anforderungen immer höher. Es droht die Gefahr von Arbeitslosigkeit und Sozialhilfeabhängigkeit. Damit taugt der Mindestlohn auch nicht zur Armutsbekämpfung.
Überhaupt rechtens?
Diese Frage, ob eine Gemeinde überhaupt Bestimmungen über Mindestlöhne erlassen kann, ist umstritten und noch nicht abschliessend geklärt. Ein Gutachten des Staatsrechtlers Felix Uhlmann, das von den Städten Zürich, Winterthur und Kloten in Auftrag gegeben wurde, hält die Einführung zwar für rechtens. Ein Bundesgerichtsentscheid gibt es aber erst für die Kantonsebene. Gemäss dem Urteil im Fall Neuenburg dürfen Kantone Mindestlöhne vorschreiben, solange diese sozialpolitisch begründet werden. In den Fällen Zürich und Winterthur darf davon ausgegangen werden, dass in den nächsten Monaten eine Überprüfung der Rechtmässigkeit der beiden Abstimmungsergebnisse angestrebt wird.
Sozialpartnerschaft wird ausgehöhlt
Mindestlöhne, die geltende ave GAV übersteuern, sind einer einvernehmlichen Sozialpartnerschaft nicht förderlich. Was ergeben Verhandlungen für einen Sinn, wenn die Ergebnisse übersteuert werden? Es ist zu hoffen, dass die von National- und Ständerat an den Bundesrat überwiesene Motion des Obwaldner Ständerats Erich Ettlin «Sozialpartnerschaft vor umstrittenen Eingriffen schützen» bald umgesetzt und dem Treiben ein Ende gesetzt wird. Der Vorstoss verlangt, dass die Bestimmungen eines ave GAV zu Mindestlohn, 13. Monatslohn und Ferienanspruch anderslautenden Bestimmungen der Kantone vorgehen. So würde wieder Klarheit herrschen.
Dieter Kläy, Ressortleiter