Die Kurve leider nicht gekriegt
05.06.2015
Der Ständerat hat es in der Frühjahrssession abgelehnt, die Volksinitiative „Für
eine faire Verkehrsfinanzierung“ (Milchkuhinitiative) gemeinsam mit der Vorlage
zum Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrsfonds (NAF) zu beraten. Der
Bundesrat hat das erst gar nie in Erwägung gezogen und empfiehlt die vom
Schweizerischen Gewerbeverband mitgetragene Milchkuhinitiative direkt zur
Ablehnung.
Dabei fordert die Milchkuhinitiative im Grunde genommen gar nichts
Aussergewöhnliches. Rund neun Milliarden Franken zahlen die Strassenbenützer jährlich an Steuern und Abgaben. Vier Milliarden davon fliessen ohne Zweckbindung in die Bundeskasse. Knapp zwei Milliarden gehen an Eisenbahnprojekte. Die Kantone
profitieren mit einer halben Milliarde von der LSVA. Die Strassenbenützer leisten damit einen erheblichen Anteil an die allgemeine Finanzierung des Bundes und die Finanzierung der Bahn. Dieser Trend wurde anfangs 2014 mit der Vorlage „Finanzierung und Ausbau der Bahninfrastruktur“ (FABI) zementiert. FABI ist die direkte Antwort des Bundesrates auf die VCS-Initiative „Für den öffentlichen Verkehr“. Für die Initiantinnen und Initianten und den öffentlichen Verkehr ist die Rechnung aufgegangen. Am 9. Februar 2014 stimmte das Volk dem Verfassungsartikel zur Bahnfinanzierung (Bahninfrastrukturfonds BIF) und einem Betrag von 6,4 Mia. zu.
Die Milchkuhinitiative verlangt, die gesamte Mineralölsteuer auf Treibstoffen für Aufgaben im Zusammenhang mit dem Strassenverkehr zu verwenden. So sollen die absehbaren Finanzierungsprobleme in der Strasseninfrastruktur gelöst werden. Gleich lange Spiesse zwischen dem öffentlichen und dem Individualverkehr würde jetzt bedeuten, dass der Bundesrat die Botschaft zum Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrsfonds NAF als wirksamen Gegenvorschlag zur
Milchkuhinitiative deklariert hätte, wie er es seinerzeit mit der FABI Vorlage
als Gegenvorschlag zur VCS-Initiative gemacht hat.
Doch diesen Schritt hat der Bundesrat nicht gewagt und damit eine Chance vergeben.
Dafür will er mit der NAF-Vorlage den Benzinpreis um 6 Rappen erhöhen.
Angesichts der Tatsache, dass der motorisierte Individualverkehr bereits den
öffentlichen Verkehr stark finanziert, ist ein weiteres Schröpfen der
Strassenbenützer nicht ehrlich.
Der Nationalrat hätte in der Sommersession die Chance gehabt, diese Entwicklung zu
korrigieren und die Milchkuhinitiative zusammen mit der NAF-Vorlage zu behandeln. Doch auch er hat es nicht geschafft, ist doch ein breit abgestützter Minderheitsantrag aus Vertretern der Verkehrskommission des Nationalrats mit 93 zu 91 Stimmen hauchdünn gescheitert. Einige Ratsmitglieder haben die entscheidende Abstimmung verpasst. Die gemeinsame Behandlung von Milchkuhinitiative und NAF-Vorlage wäre eine Chance gewesen, der Zweckentfremdung von Strassengeldern zumindest teilweise einen Riegel zu schieben und genügend Mittel für die Strassenverkehrsinfrastruktur bereit zu stellen. Jetzt ist auch diese Chance wegen drei fehlender Stimmen vergeben worden. Der Druck auf die NAF-Vorlage wird zunehmen. Solange die Querfinanzieren von der Strasse zur Schiene derart ausgeprägt ist, wird eine Erhöhung des Benzinpreises nicht zu rechtfertigen sein.
Dieter Kläy, Ressortleiter