Die Vorlage ist abzulehnen
03.06.2022
Mit einer Revision des Entsendegesetzes (EntsG) sollen ausländische Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber verpflichtet werden, ihren entsandten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern die kantonalen Mindestlöhne zu bezahlen, sofern diese unter den Geltungsbereich der kantonalen Mindestlohngesetze fallen. Zugleich soll eine explizite Regelung der finanziellen Folgen einer Nichterfüllung oder einer mangelhaften Erfüllung von Beobachtungs- und Vollzugsaufgaben ins Gesetz aufgenommen werden. Zuletzt soll eine Grundlage geschaffen werden für das Zurverfügungstellen einer elektronischen Plattform für die Kommunikation unter den Vollzugsorganen und die dadurch entstehende Verantwortung für die Datensicherheit bei der Bearbeitung von Personendaten durch den Bund.
Der brisanteste Teil dieser Vorlage ist sicher die Frage, ob im EntsG überhaupt eine Regulierung in Bezug auf kantonale Mindestlöhne notwendig ist. Heute ist es gemäss Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe a EntsG so, dass Arbeitgebende mit Sitz im Ausland für die Dauer der Entsendung gewisse in der Schweiz geltende Arbeits- und Lohnbedingungen einhalten, sofern diese in Bundesgesetzen, Verordnungen des Bundesrates; allgemeinverbindlich erklärten GAV sowie Normalarbeitsverträgen im Sinne von Artikel 360a OR geregelt sind. Jetzt geht es um die Frage, ob das Entsendegesetz auf kantonale Mindestlöhne ausgeweitet werden soll.
Aus Sicht des Schweizerischen Gewerbeverbands sgv ist die Vorlage aus folgenden Gründen abzulehnen:
- Der sgv hat grosses Verständnis für die besondere Exponiertheit einzelner Kantone, insbesondere Grenzkantone, hat aber den Beschluss des Ständerates auf Nichteintreten unterstützt mit der Begründung, dass über das Entsendegesetz keine kantonalen Mindestlöhne eingeführt bzw. gestützt werden sollen. Insbesondere kann es dazu kommen, dass in allgemeinverbindlich erklärten Gesamtarbeitsverträgen ausgehandelte Mindestlöhne durch kantonale Regelungen übersteuert werden. Die unterschiedlichen Kompetenzen von Bund und Kantonen sollen nicht vermischt werden.
- Die kantonalen Mindestlöhne würden zusätzlich über das Entsendegesetz gestützt, was letztlich die Sozialpartnerschaft untergräbt. Die Sozialpartnerschaft ist Angelegenheit der Sozialpartner und soll das auch so bleiben. Der Vollzug von GAV und Normalarbeitsverträgen (NAV) ist dezentral. Die Sozialpartner z.B. kontrollieren über ihre paritätischen Kommissionen, ob die Bedingungen der ave GAV eingehalten sind. Leider ist in den letzten Jahren die Tendenz festzustellen, dass sich der Staat immer mehr in die Sozialpartnerschaft einmischt. Das braucht es bei einer funktionierenden Sozialpartnerschaft, wie das in der Schweiz der Fall ist, nicht.
Nachdem der Ständerat auf die Vorlage nicht eingetreten ist, hat der Nationalrat die Änderungen des Entsendegesetzes in der Frühjahrssession 2022 angenommen. Die vorberatende Kommission des Ständerates beantragt wiederum Nichteintreten.
Dieter Kläy, Ressortleiter