Eine wichtige Brückenfunktion
03.06.2022
Für die Schweizer Volkswirtschaft ist der flexible Arbeitsmarkt ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Die KMU bieten 2/3 der Arbeitsplätze in der Schweiz an und bilden über 70 Prozent der Lernenden aus. Die Arbeitspartizipation ist hoch. Nach der Corona-Krise 2020 – 2022 ist die Arbeitslosigkeit bei rund 2% rekordtief. Auch der Lehrstellenmarkt hat sich rasch erholt und erreicht ein Vor-Corona-Niveau. Die berufliche Grund- und Weiterbildung ist einer der wesentlichen Pfeiler unseres Erfolgsmodells. Die Arbeitnehmenden profitieren von einem flexiblen Arbeitsmarkt.
Es besteht grosser Reformbedarf
Das Arbeitsgesetz entspringt vom Geist her dem industriellen Zeitalter der 50-er und 60-er Jahre. In den vergangenen 50 Jahren hat sich die Arbeitswelt aber tiefgreifend gewandelt. Heute sind drei Viertel der Erwerbstätigen im tertiären Sektor tätig. 85 % der Schweizerinnen und Schweizer sind mobile Internetnutzer. Der Trend zur Flexibilisierung der Arbeit wird immer stärker. Heute geltende arbeitsrechtliche Regelungen verlieren zunehmend an Aktualität. Der Schweizerische Gewerbeverband sgv verfolgt generell zwei Zielsetzungen:
- Erstens braucht es nicht mehr Arbeitsmarktregulierung und nicht mehr flankierende Massnahmen. Der heutige Stand genügt. Das Erfolgsmodell Schweiz und der liberale Arbeitsmarkt dürfen nicht weiter eingeschränkt werden.
- Zweitens muss das über 50-jährige Arbeitsgesetz an die heutigen Realitäten der Arbeitswelt angepasst werden. Insbesondere muss der Arbeitsmarkt weiter flexibilisiert werden, weil sich mit der Digitalisierung das Alltagsleben verändert.
Nicht mehr, aber anders arbeiten
Allgemeiner Reformbedarf besteht bei den Arbeitszeiten und der Arbeitszeiterfassung bzw. den Ruhezeiten. Fixe Arbeitszeiten sind immer weniger zeitgemäss. Die moderne Arbeitswelt – insbesondere im wachsenden Dienstleistungsbereich, aber auch im kundenorientierten, gewerblichen Bereich – ist flexibel und nicht mehr ausschliesslich an den Arbeitsplatz in der Firma gebunden. Dabei heisst die Devise nicht «generell mehr», sondern «anders» arbeiten. Das trägt auch dem modernen Familienbild Rechnung. Das Praxisbeispiel dazu liefern die Treuhänder. Wenn für Mitarbeitende dieser Branche jeweils im Frühjahr mit den Jahresabschlüssen und den Steuererklärungen regelmässig viel Arbeit anfällt, muss mehr und länger gearbeitet werden können. Systembedingt fällt die Arbeitsbelastung in den Sommermonaten geringer aus. Auch andere Branchen kennen Spitzenbelastungen und ruhigere Monate. Die heute geltende Beschränkung der wöchentlichen Arbeitszeit auf grundsätzlich 45 Stunden, das Minimum der täglichen Ruhezeit von 11 Stunden und die Einschränkungen der Sonntagsarbeit sind für solche Branchen wenig praxistauglich. Generell ist ein Jahresarbeitszeitmodell zielführender.
Besondere Integrationsfunktion der Temporärarbeit
Die Temporärbranche integriert in den Arbeitsmarkt. Knapp 900 Schweizer Personaldienstleister vermitteln jedes Jahr etwa 100 000 Feststellen und integrieren mehr als 300 000 Menschen. Für einen Stellensuchenden hat die Verleiharbeit eine Brückenbauerfunktion. Ein Jahr nach Einsatzende bleiben über 90 Prozent der über 50-Jährigen in den Arbeitsmarkt integriert. Über den Personalverleih kann auch das Potenzial der älteren Arbeitskräfte noch besser ausgeschöpft werden.
Mehr Flexibilität ist wichtig
Bis ca. 2030 werden mehr Arbeitskräfte den Arbeitsmarkt verlassen als neu dazukommen. Die Babyboomer werden pensioniert. Der Mangel an Fachkräften wird zunehmen. Die Arbeitgeber investieren im eigenen Interesse in die Ausbildung ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die Rahmenbedingungen des Arbeitsrechts müssen flexibler gestaltet werden können. Davon profitieren insbesondere auch die Arbeitnehmenden.
Dieter Kläy, Ressortleiter