Fachkräftemangel ab Berufswahl
02.09.2022
Fachkräftemangel herrscht, wenn eine grössere Anzahl an Stellen, die bestimmte Fähigkeiten von Fachleuten erfordern, nicht mehr zeitgerecht besetzt werden können. Die qualifizierten und geeigneten Fachkräfte fehlen auf dem Arbeitsmarkt. Der sgv sieht verschiedene Ansatzpunkte zur Bekämpfung dieser Entwicklung.
Vielfältige Gründe
Rund eine Million Erwerbstätige wird in den nächsten 10 Jahren pensioniert. Bis ca. 2030 verlassen mehr Arbeitskräfte den Arbeitsmarkt, als neue dazustossen, da die Generation der «Babyboomer» in Pension geht. Verantwortlich sind aber auch geringere Geburtenraten. Betrug die Geburtenrate in den 50-er und 60-er Jahre noch 2.7, lag sie in den vergangenen Jahren bei ca. 1.5. Folglich kommen weniger Arbeitskräfte auf den Markt. Fachkräftemangel besteht derzeit in vielen Ingenieurberufen, aber auch im Treuhandwesen, bei den Informatikberufen etc. Leidtragende sind Arbeitgeber und die Kundschaft. Für ca. einen Drittel der Arbeitgeber ist es zunehmend schwieriger geworden, Fristen einzuhalten und Kundenerwartungen zu erfüllen. Der Mangel an qualifiziertem Personal führt zu einer höheren Arbeitsbelastung der bestehenden Mitarbeitenden. Versuche, die Entwicklung zu lindern, sind viele unternommen worden. Die Situation hat sich aber nicht nachhaltig verbessert. Der Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften steigt weiter.
Ansatzpunkte des sgv
Unter dem zunehmenden Fachkräftemangel leiden vor allem KMU. Der Schweizerische Gewerbeverband sgv hat deshalb in den letzten Jahren verschiedene Initiativen lanciert und Massnahmen vorgeschlagen bzw. auch umgesetzt.
Deregulierungsinitiative: Mit einer Stärkung und einem Ausbau der unternehmerischen Freiheit können die KMU ihre Potenziale im freien Markt entfalten. Mit einer Regulierungskostenbremse und einer Senkung der aktuellen und künftigen Regulierungskosten können Arbeitskräfte freigesetzt und noch gezielter für das Kerngeschäft des Unternehmens eingesetzt werden.
Bildungspolitik: Der Fachkräftemangel beginnt bereits mit der Berufswahl. Das duale Berufsbildungssystem muss auf allen Stufen gestärkt und insbesondere die Höhere Berufsbildung als Karriereweg für Berufsleute gefördert werden. Die Berufsbildungsprojekte müssen inhaltlich sowohl auf der Grundstufe wie auch in der Weiterbildung konsequent auf die Arbeitsmarktfähigkeit und die Bewältigung des Fachkräftemangels ausgerichtet werden. Wichtig sind aber auch Projekte, die später im Berufsleben mit Massnahmen ansetzen, wie z.B. eine persönliche Standortbestimmung ab Alter 40.
Arbeitsmarktpolitik: In der Arbeitsmarktpolitik geht es darum, den flexiblen Arbeitsmarkt und die Interessen der Arbeitgeber konsequent verteidigen sowie die arbeitsrechtlichen Vorschriften zu flexibilisieren und den künftigen Lebensumständen anzupassen. In den vergangenen Jahren konnten im Rahmen des Sozialpartnerdialogs viele branchenspezifische Verbesserungen und Flexibilisierungen z.B. in der Arbeitszeit erreicht werden.
Migrationspolitik: Die Personenfreizügigkeit ist beizubehalten. Die jährlich durch den Bundesrat festzulegenden Drittstaatenkontingente sind mindestens beizubehalten, allenfalls massvoll und gezielt zu erhöhen.
Sozialpolitik: Die Leistungen der Sozialwerke müssen konsequent auf die vorhandenen Mittel ausgerichtet werden und sollen jenen zugutekommen, die es wirklich nötig haben.
Branchenspezifische Programme: Neben den oben genannten Ansatzpunkten haben die einzelnen Branchen eigene und spezifische Programme lanciert, um dem Fachkräftemangel wirksam begegnen zu können.
Der Fachkräftemangel lässt sich nur in einer Kombination verschiedener Massnahmen wirksam bekämpfen. Durch zielgerichtete Deregulierung können zusätzliche Kräfte für den Unternehmenszweck freigesetzt werden. Langfristig müssen vor allem die duale Berufsbildung und die berufsbezogene Weiterbildung gestärkt werden.
Dieter Kläy, Ressortleiter