Fehlstart für Mobility-Pricing Versuche
26.07.2016
Wer viel und auf beliebten Strecken zu attraktiven Zeiten fährt, soll mehr zahlen. Der Bundesrat will die Kapazitäten auf der Strasse und auf der Schiene besser nutzen und die Verkehrsspitzen brechen. Was auf dem Papier gut tönt, hat in der Umsetzung seine Tücken. Nicht einmal die rot-grün regierte Stadt Zürich sieht sich als Experimentierfeld und will an einem Pilotversuch teilnehmen. Der Kanton Zürich sieht sich ebenfalls nicht als Testfeld und eine Studie der Zürcher Kantonalbank ZKB hat bereits vor 8 Jahren die Situation in Winterthur für entsprechende Versuche kritisch beurteilt.
Ende Juni hat der Bundesrat verlauten lassen, dass er Pilotversuche mit Mobility Pricing durchführen will. Die stark schwankende Auslastung stelle eine grosse Herausforderung dar. Während es in den Zügen und auf den Strassen am Morgen und am Abend eng werde, gebe es zu den anderen Tageszeiten meist noch freie Kapazitäten. Mobility Pricing bezweckt, die Auslastung zu glätten. Der Bundesrat spricht zwar von einem „regen Interesse an Pilotversuchen“. Dass aber ausgerechnet weder die Stadt Zürich noch der Kanton als eine der grössten Agglomerationen sich für einen Pilotversuch vordrängen, spricht Bände. Der Kanton lehnt Versuche wegen des nicht gerechtfertigten hohen Aufwandes ab. Erfassungssysteme, Monitoring, Kontrollen und technische Ausrüstung würden gemäss seiner Einschätzung zu hohe Kosten generieren.
Belastung für das Gewerbe
Mobility Pricing ist eine administrativ aufwändige und umfassende Verkehrslenkung, die sich für das Gewerbe als unbeeinflussbarer Kostentreiber entpuppt. Die Forderung nach gleichmässiger“ Auslastung der Verkehrsträger Strasse und Schiene ist nicht geeignet, die täglichen Herausforderungen des Gewerbes in der Verteilung der Güter zu erleichtern. 85 Prozent der Güterverteilung und insbesondere die Güterfeinverteilung finden auf der Strasse statt. Daran wird sich auch künftig nichts ändern. Für die KMU führt Mobility Pricing zwangsläufig zu einem Kostenschub. Dazu kommt die bereits von National- und Ständerat beschlossene Benzinpreiserhöhung um 4 Rappen pro Liter. Der Bundesrat verspricht zwar, keine zusätzlichen Abgaben erheben zu wollen. Die Folgen der Umverteilungsaktion durch Mobility Pricing wird das Gewerbe sehr wohl in höheren Kosten zu spüren bekommen, denn die Gewerblerinnen und Gewerbler können in der Regel weder Zeit noch Ort der Fahrten selbst wählen. Die Kundschaft bestimmt, wann der Gewerbetreibende zu welchem Zeitpunkt und wo eine Strasse benutzen muss. Statt die Ressourcen in komplizierte Lenkungsaktionen zu setzen ist es zielgerichteter, wenn die Engpassbeseitigung rasch an die Hand genommen wird und die jährlich 24‘000 Staustunden durch punktuelle Kapazitätsausbauten zügig reduziert werden.
Und für Winterthur?
Bereits 2008 ist die ZKB-Studie „Wie weiter mit dem Verkehr? Strategien zur Verbesserung der Zürcher Mobilität“, die allerdings Roadpricing und damit die Bepreisung allein der Strasse und nicht auch der Schiene untersucht hat, zum Schluss gekommen, dass die Wirkung für Winterthur geringfügig ist. Die vielen Einfallsachsen Winterthurs würden lediglich ein „Cordon-Pricing“ zulassen und wenig Lenkung entfalten. Es wird sich zeigen, ob eine der interessierten Regionen (Bern, Genf, Zug, Rapperswil-Jona) tatsächlich in einen Mobility-Pricing-Versuch einsteigen wird. Die Nachteile für das Gewerbe dürften gross und die Wirkung beschränkt sein.
Dieter Kläy, Kantonsrat FDP