Finanzierungslücke geht alle an
04.02.2022
Zur Sicherstellung einer langfristigen Finanzierung der Strasseninfrastruktur verlangt der sgv eine Ausweitung der Kostenbeteiligung auch auf Fahrzeuge mit alternativen Antrieben. Indirekte Massnahmen wie z.B. ein flexibleres Arbeiten oder ein späterer Schulbeginn können einen Beitrag zur Entlastung Spitzenbelastung leisten.
Mit dem Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrsfonds (NAF) ist vor ein paar Jahren die Grundlage für eine langfristige und nachhaltige Finanzierung der Nationalstrassen gelegt worden. Er wird von der Autobahnvignette, vom Mineralölsteuerzuschlag und der Mineralölsteuer aus Treibstoffen alimentiert. Wegen tieferen Benzin- und Dieselverbrauchs und wegen laufenden Optimierungen der Motoren sowie Substitutionseffekten durch neue Antriebsformen (z.B. Elektromobilität) wird sich in den kommenden Jahren beim NAF eine Finanzierungslücke öffnen, die kompensiert werden muss.
Road-Pricing – der falsche Ansatz
Der Bund will die Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur auf neue Grundlagen stellen und Versuche mit einem fiskalischen Ansatz zulassen. Ein reines Roadpricing mit örtlicher und / oder zeitlicher bzw. umweltpolitisch motivierter Lenkungswirkung zwecks Änderung des Modalsplits, örtlich und zeitlich bedingte Zufahrtsbeschränkungen und reine umweltpolitische Lenkung über Umweltzonen, Umwelt-Etiketten, andere Steuerungsmechanismen aller Art, Kapazitätsbeschränkungen anderweitiger Art wie Zwangs-Fahrtenmodelle etc. und sachfremde Elemente wie Steuerung des Verkehrs über eine restriktive Parkplatzpolitik und Wettbewerbsverzerrungen irgendwelcher Art sowie jeglicher Zwang zur Änderung des Nutzungsverhaltens lehnt der Schweizerische Gewerbeverband sgv ab. Systeme, die Verkehrsspitzen allein durch höhere Stundenpreise brechen, treffen vor allem diejenigen, die z. B. in den Arbeitszeiten keinen oder nur geringen Spielraum haben. Für die KMU führt das Road-Pricing zwangsläufig zu einem Kostenschub. Deshalb sind andere Finanzierungsmodelle zur langfristigen Alimentierung der Strasseninfrastruktur gefragt.
Alternative Ansätze für eine langfristige Finanzierung der Strasseninfrastruktur
Alternative Anknüpfungspunkte gibt es verschiedene:
Echtes Mobility-Pricing unter zwingenden Voraussetzungen
Ein echtes Mobility-Pricing umfasst die nutzungsabhängige Bepreisung des öffentlichen und privaten Verkehrs gemeinsam und lässt die Möglichkeit gar nicht erst zu, einzelne Verkehrsträger wie z.B. den motorisierten Individualverkehr allein zu besteuern und einseitig Road-Pricing einzuführen. Ein echtes Mobility-Pricing ist im Kern eine leistungsabhängige Bepreisung der gesamten Mobilität und deshalb zwingend verkehrsträgerübergreifend zu gestalten, da alle Strassenbenützende sind. Bei der verkehrsübergreifenden Bepreisung darf es nicht zu Wettbewerbsverzerrungen kommen. Für den sgv ist das echte Mobility-Pricing noch sehr weit von der Realität entfernt, so dass es kurzfristig keine Alternative ist.
Weiterentwicklung des NAF
Die Bereitschaft zu Fahrzeugen mit alternativem Antrieb wächst. Da auch sie die Strasseninfrastruktur gleichermassen wie benzin- und dieselbetriebene Fahrzeuge benutzen, sollen auch sie zur Alimentierung des NAF beitragen. So werden gleich lange Spiesse geschaffen.
Umwidmung von Beträgen zu Gunsten der Strasse
Nicht alle Treibstoffabgaben fliessen heute in den Topf der Strassenfinanzierung. Die Ausweitung der Zweckbindung der Treibstoffabgaben war Zielsetzung der Volksinitiative «Ja zur fairen Verkehrsfinanzierung» (Milchkuh-Initiative), die vorsah, jene 50 Prozent der Einnahmen aus der Mineralöl-Grundsteuer, die bislang in die Bundeskasse fliessen, ebenfalls zweckgebunden für den Bau und Unterhalt von Strassen zu verwenden. Die Vorlage ist 2016 abgelehnt worden. Leert sich in den kommenden Jahren sukzessive der NAF, stellt sich die Frage, ob und inwiefern solche Ansätze wieder reaktivierbar sind.
Mit einer Liberalisierung des Arbeitsrechts Pendlerströme wirksam reduzieren
Mit einer Liberalisierung und Flexibilisierung des Arbeitsrechts, insbesondere des Arbeitsgesetzes und vermehrter Nutzung von Homeoffice mit Einverständnis des Arbeitgebers, kann die Verkehrsinfrastruktur entlastet werden, wie die Corona-Krise gezeigt hat. Dazu gehören z.B. auch Anpassungen in der Unterrichtszeitgestaltung an Schulen und Hochschulen.
Intelligente Lösungen tragen zur Entlastung der Verkehrsinfrastruktur bei
Neben der Liberalisierung des Arbeitsrechts sind Massnahmen, wie z.B. die Verlagerung des Güterverkehrs in den Untergrund (Cargo Souterrain) zu unterstützen. Digitale intelligente Lösungen wie intelligente Strassenbeschilderung, Einsatz von Mobilfunkdaten, Ausstatten von Ampeln mit Sendern und Beeinflussung von Ampelphasen zur Verflüssigung des Verkehrs durch gegenseitiges Austauschen von Informationen, Übermitteln von Geschwindigkeitsempfehlungen, um möglichst rasch und ohne Stau ein Ziel avisieren zu können, bis hin zur vollautomatisierten Mobilität, die zu einer markanten Steigerung der Verkehrssicherheit beitragen kann, führen den Verkehr optimaler und effizienter.
Weiterentwicklung des NAF und Flexibilisierung der Arbeit
Zur Sicherstellung einer langfristigen Finanzierung der Strasseninfrastruktur fordert der sgv eine Weiterentwicklung des NAF. Die sich öffnende Finanzierungslücke soll durch die Besteuerung von Fahrzeugen mit alternativen Antrieben geschlossen werden. Da in den nächsten Jahren ein substanzielles Mobilitätswachstum sowohl im Güter- wie auch im Personenverkehr zu erwarten ist, sind mit dem Ziel einer Entlastung der Verkehrsinfrastruktur indirekte Massnahmen zu fördern, darunter eine Liberalisierung des Arbeitsrechts, die flexibleres Arbeiten ermöglicht, die Entwicklung eines intelligenten Gesamtverkehrssystems und die Entlastung des öffentlichen Verkehrs zu den Stosszeiten (z.B. veränderter Schulbeginn uam.).
Dieter Kläy, Ressortleiter