Dieter Kläy
Dieter Kläy

Im Schnitt Kosten von 280 Franken

19.05.2017

Waren und Dienstleistungen werden bestellt, aber manchmal nicht bezahlt. Gläubiger verlieren so jährlich über 10 Milliarden Schweizer Franken durch Forderungsausfälle. Darin nicht enthalten sind jene Kosten, welche von den Gläubigern zusätzlich für Inkassomassnahmen aufgewendet werden müssen. Diese Kosten müssen von den Unternehmen selber getragen werden respektive werden im Laufe der Preisgestaltung auf die Konsumentinnen und Konsumenten überwälzt. Am Schluss zahlt die Allgemeinheit für jene, die ihre Schulden nicht begleichen. Die Gerichte handhaben die Überwälzung dieser Kosten auf die Schuldner und Verursacher uneinheitlich. Für die Realisierung dieser Forderungen entstehen den Gläubigern zusätzlich Kosten.

 

Die heutigen Instrumente, die die Gesetzgebung zur Durchsetzung des Rechts des Gläubigers vorsieht, löst das Problem, dass Schuldner ihre Rechnungen nicht begleichen, nicht. Die Forderung, allfällige Inkassokosten vertraglich oder über Allgemeinde Geschäftsbedingungen AGB zu vereinbaren, zielt an der Praxis der Realität vorbei. Gerade gewerbliche Betriebe haben in der Regel nicht die Möglichkeit, über AGB Bedingungen zu diktieren, wie sie z.B. grosse Telekommunikationsunternehmen oder andere grosse Unternehmen haben. 

 

Eine Motion des Luzerner FDP-Nationalrats Peter Schilliger verlangt, dass der Schuldner, welcher Kosten durch Spät- oder Nichtzahlung verursacht, diese nach dem Verursacherprinzip dem Gläubiger zu ersetzen hat. Laut Motionär geht es nicht an, dass säumige Zahler durch ihr Verhalten der Allgemeinheit einen Schaden verursachen. Weder die Lieferanten noch korrekt handelnde Kunden (durch Preisaufschläge) sollen für den Schaden, welcher durch Zahlungsverzug Einzelner entsteht, aufkommen müssen.

 

Der Schweizerische Gewerbeverband sgv hat deshalb beim Schweizerischen Institut für Klein- und Mittelunternehmen der Universität St. Gallen ein Gutachten in Auftrag gegeben, dass diesen Verzugsschaden erfasst. Dr. Heiko Bergmann, Forschungsleiter und Lehrbeauftragter gibt Auskunft:

 

1)    Wie lautet der Auftrag für die Erstellung der Studie?

In der Untersuchung sollte ermittelt werden, wie hoch typischerweise der Aufwand bei einem KMU ist, wenn der Schuldner nach Rechnung und zwei Mahnungen nicht gezahlt hat. Wir sollten also ermitteln, welchen Aufwand ein Unternehmen treiben muss, um seine Forderung gegenüber dem Schuldner durchsetzen zu können.

 

2)    Welche Methodik haben Sie angewandt?

Das Vorgehen ser Vorgehen orientiert sich am Vorgehen des SECO bei der Abschätzung des administrativen Aufwands von Unternehmen in Folge von staatlichen Regulierungen. Wir gehen dabei von einem durchschnittlich effizienten KMU mit einer für seine Grösse typischen Infrastruktur aus. Den Arbeitsaufwand der einzelnen Arbeitsschritte (z.B. telefonische Kontaktaufnahme, Einholen einer aktuellen Betreibungsauskunft, Einleiten der Betreibung etc.) haben wir über einen Workshop mit KMU-Vertretern sowie über Interviews von Rechtsanwälten mit breiter Inkassoerfahrung abgeschätzt.

3)    Was sind die Ergebnisse der Studie?

Nach Rechnung und zwei Mahnungen wenden Gläubigerunternehmen einen Aufwand von ca. 225 Minuten für Aktivitäten auf, die betriebswirtschaftlich und/oder rechtlich notwendig sind, um ihre Forderung einzubringen oder einen Verlustschein zu erhalten. Hierbei handelt es sich um einen Durchschnitt über alle Schuldner. Dies entspricht Gläubigerkosten von 279,21 Franken.

 

4)    Was sind aus Ihrer Sicht die Konsequenzen, die sich aus diesem Ergebnis ableiten lassen?

Die Ableitung von Handlungsempfehlungen war nicht Gegenstand der Studie. Aus meiner persönlichen Sicht lassen sich aus dem Ergebnis die beiden folgenden Schlussfolgerungen ableiten:

Aus betrieblicher Sicht verdeutlicht der hohe Aufwand, dass Unternehmen versuchen sollten, Zahlungsverzögerungen und Forderungsausfälle zu vermeiden. Dies kann geschehen durch Vorabklärungen der Kreditwürdigkeit, eine schnelle und regelmässige Rechnungstellung sowie eine konsequente Umsetzung von Inkassomassnahmen.

Aus politischer Sicht zeigt der hohe Aufwand, dass Gläubiger bei einem Zahlungsverzug des Schuldners häufig in einer schlechten Situation sind. Der hohe administrative Aufwand, der für die Durchsetzung einer Forderung notwendig ist, erklärt, warum es in der Praxis für das einzelne Unternehmen durchaus rational sein kann, eine ausstehende Forderungen ab einem bestimmten Zeitpunkt einfach abzuschreiben. Letztendlich führt so ein Verhalten aber dazu, dass all die Kunden, die sich korrekt verhalten und ihre Rechnung fristgerecht bezahlen, die entstehenden Kosten anteilig tragen müssen. Gerade im Bereich des rechtlichen Inkassos sind Spezialkenntnisse erforderlich, über die KMU typischerweise nicht verfügen und die eine umfangreiche Einarbeitung erforderlich machen. Es gibt aus meiner Sicht daher gute Argumente für eine Klarstellung und Verbesserung der Rechte von Gläubigern in der Schweiz.

 

Dieter Kläy, Ressortleiter