Dieter Kläy
Dieter Kläy

Kantonsrat: Rückblick auf die Legislatur 2019–2023

26.04.2023

Am 24. April 2023 ist im Kantonsrat die Legislatur 2019 – 2023 zu Ende gegangen. Begonnen hat sie am 6. Mai 2019. Ein Rückblick:

Die 180 Kantonsrätinnen und Kantonsräte haben an 223 Sitzungen jeweils am Montag getagt. Das sind so viele wie seit der Legislatur 1995–1999 (224 Sitzungen) nicht mehr. In den vorangegangenen Legislaturen waren es 213 (2015–2019), 220 (2011–2015), 219 (2007–2011) und 203 (1999–2003).

Ursache für die vielen Sitzungen sind neben der allgemein gesteigerten Geschäftslast die zusätzlichen Doppelsitzungen, die aufgrund der Ausfälle zu Beginn der Corona-Pandemie eingeplant wurden. Die ausgefallenen Sitzungen wurden kompensiert. Die durchschnittlich 56 Kantonsratssitzungen pro Jahr dauerten insgesamt 200 Stunden. Hinzu kamen gut 350 Kommissionssitzungen pro Jahr, wobei deren Zahl in der zweiten Legislaturhälfte wegen des Einsatzes einer Spezialkommission und diverser Subkommissionen gestiegen ist.

Rund 2000 Geschäfte

In dieser Zeit hat der Kantonsrat über 2000 Geschäfte behandelt und erledigt. Darunter sind 395 Vorlagen (Gesetzesvorlagen, Kreditbeschlüsse oder sonstige Kantonsratsbeschlüsse), rund 100 Vorlagen pro Jahr. In der vorangegangenen Legislatur 2015–2019 waren es rund 88 Vorlagen pro Jahr, in der Legislatur 2011–2015 durchschnittlich 130. Ebenfalls erledigt wurden in der laufenden Legislatur über 110 parlamentarische Initiativen, rund 60 Motionen, fast 200 Postulate (davon 30 dringliche Postulate), über 60 Interpellationen (davon 19 dringliche Interpellationen) und rund 900 Anfragen (inkl. dringliche Anfragen), wobei Anfragen im Rat nicht behandelt werden. Eingereicht wurden in der laufenden Legislatur rund 1500 Vorstösse und parlamentarische Initiativen, um Auskünfte und Berichte von der Regierung zu verlangen oder Gesetzgebungsprozesse auszulösen. Das sind praktisch gleich viele wie die 1478 Vorstösse der vorangegangenen Legislatur 2015–2019 (wobei die Auswertung damals wegen des späteren Wahltermins erst per Ende Februar erfolgte) und deutlich mehr als die 1110 Vorstösse der Legislatur 2011–2015. Aus der FDP-Fraktion stammen rund 15% dieser Vorstösse.

Die wichtigsten Geschäfte

Das Geschäft, das in den Kommissionen mit Abstand am längsten beraten wurde, war die Untersuchung zu besonderen Vorkommnissen an mehreren Kliniken des Universitätsspitals Zürich (USZ) mit 183 Stunden Beratungszeit, gefolgt von den Beratungen zur Festsetzung der Budgets für die Jahre 2020 bis 2023 mit zwischen 40 und 53 Stunden und dem Spitalplanungs- und Finanzierungsgesetz (SPFG), Anforderungen für Leistungsaufträge, mit knapp 34 Stunden. Danach folgen die Beratungen der Geschäftsberichte des Regierungsrates für die Jahre 2018 bis 2021 mit knapp 26 bis 30 Stunden.

Die längsten Debatten im Kantonsrat betrafen die Budgets für die Jahre 2020 und 2021. Ganze 28 bzw. gut 26 Stunden lang wurde darüber diskutiert. Dank eines Pauschalkürzungsantrags dauerten die Beratungen des Budgets 2022 (inkl. Festsetzung des Steuerfusses für die Jahre 2022 und 2023) lediglich 11 und des Budgets 2023 nur 10,5 Stunden.

Zu den Geschäften, über die im Rat überdurchschnittlich lange diskutiert wurde, zählen das Spitalplanungs- und Finanzierungsgesetz, Anforderungen für Leistungsaufträge, mit über 13 Stunden Beratungszeit, das Energiegesetz (Umsetzung der MuKEn 2014) mit gut 7 Stunden, das Wassergesetz mit rund 6 Stunden, die Teilrevision 2017 des kantonalen Richtplans (Kapitel 4 «Verkehr» und Kapitel 5 «Versorgung, Entsorgung») mit fast 6 Stunden, das Jagdgesetz mit knapp 6 Stunden sowie schliesslich die Volksinitiative «für ein Musikschulgesetz» mit gut 5 Stunden.

Das Energiegesetz sieht unter anderem ein grundsätzliches Verbot für den Ersatz von Ölheizungen durch neue Ölheizungen vor. Dank der FDP sind unter bestimmten Bedingungen, insbesondere in Härtefällen, Ausnahmen möglich. Mit dem Selbstbestimmungsgesetz können Menschen mit Beeinträchtigungen künftig im Kanton Zürich so weit wie möglich selbst bestimmen, wo und wie sie wohnen und von wem sie dabei betreut werden. Diese Selbstbestimmung ist der FDP ein grosses Anliegen.

Geschäfte mit direktem Bezug zu Winterthur

Geschäfte mit direktem Bezug zu Winterthur waren einerseits Infrastrukturprojekte wie z.B. das neue Gebäude von Staatsanwaltschaft und Kantonspolizei, die Weiterentwicklung des Gebiets des Kantonsspitals Winterthur am heutigen Standort und auf dem Haldengutareal sowie der Campus Winterthur mit der Weiterentwicklung des Gebiets Technikum und Chemiegebäude. Dies zeigt, dass Winterthur eine Zukunft als Bildungs- und Gesundheitsstadt hat.

Zum anderen waren es Kulturvorlagen, die für Winterthur von grosser Bedeutung sind. Mit der Annahme des Musikschulgesetzes werden Finanzierungssicherheiten für Musikschulen geschaffen, wovon vor allem auch die Winterthurer Institutionen profitieren. Das neue Geldspielgesetz regelt die weitere Kulturfinanzierung. Für das Projekt «Neubau und Sanierung Fotomuseum Winterthur» gewährte der Kantonsrat einen Betrag von Fr. 6 500 000 aus dem Gemeinnützigen Fonds an die Stiftung Fotomuseum Winterthur. Ebenfalls für die Winterthurer Kultur wichtig wird die Legislatur-Tranche, die für bestimmte Projekte finanzielle Mittel zur Verfügung stellt. Die vorberatende Kommission beantragt die Gewährung eines Beitrages von Fr. 6 974 700 an die Stadt Winterthur für die kulturellen und Investitionsprojekte des Kunstvereins Winterthur, des Vereins Musikkollegium Winterthur und der Theater Winterthur AG zulasten des Kulturfonds.

Im Bildungsbereich steht die Gründung einer eigenständigen Berufsmaturitätsschule in Winterthur bevor. Eine Richtplanänderung wird Auswirkungen auf die Entwicklung von Winterthur haben. Mit dem Masterplan Winterthur-Süd wird eine Vision formuliert, wie sich Töss künftig entwickeln könnte.

Relativ tiefere Fluktuation

Von den 180 Kantonsratsmitgliedern sind in der laufenden Legislatur 37 zurückgetreten. Damit sind 81 Prozent der 2019 gewählten Mitglieder im Rat verblieben. Das ist deutlich mehr als vor vier Jahren (76 Prozent) und vor acht Jahren (73 Prozent). Am meisten Neueintritte in den Kantonsrat gab es im Jahr 2022 (12). Ebenfalls überdurchschnittlich waren die Rücktritte im ersten Legislaturjahr (10). Ursache dafür war vor allem die grosse Zahl neugewählter Nationalrätinnen und -räte aus den Reihen der Kantonsratsmitglieder. In der Legislaturmitte gab es wie üblich weniger Rücktritte, nämlich 9 im Jahr 2020 und 7 im Jahr 2021. Die grösste Fluktuation, sowohl prozentual als auch in absoluten Zahlen, gab es in der GLP. 9 der 24 Fraktionsmitglieder wurden durch nachrückende Politikerinnen und Politiker ersetzt, was 38 Prozent entspricht. Bei der FDP traten 4 von 29 Ratsmitgliedern zurück. Weitere Verschiebungen gab es in der laufenden Legislatur durch Fraktionsaustritte bzw. durch Fraktionswechsel. Zwei Ratsmitglieder verliessen die SVP, eines wurde fraktionslos, das andere wechselte zur Mitte. Derweil wechselte eine Kantonsrätin innerhalb der SVP-Fraktion von der EDU zur SVP. Ein Kantonsrat der Grünen ist heute fraktionslos und eine SP-Kantonsrätin wechselte von der SP zur GLP.

Über 40 Prozent der Ratsmitglieder sind Frauen

Bemerkenswert bei den Wahlen im Jahr 2019 war unter anderem der Frauenanteil im Kantonsrat. Mit 71 Frauen und 109 Männern erreichte er erstmals 39,4 Prozent. Durch die zahlreichen Wechsel im Verlauf der Legislatur kletterte der Anteil zwischenzeitlich auf 43,3 Prozent und beträgt aktuell, kurz vor Ende der Legislatur, mit 75 Frauen und 105 Männern 41,7 Prozent.

Dieter Kläy