Dieter Kläy
Dieter Kläy

Keine neuen Leerläufe

22.05.2015

Derzeit wird das Strafregisterrecht einer Totalrevision unterzogen. Damit Behörden über bessere Entscheidungsgrundlagen verfügen, sollen im Strafregister-Informationssystem VOSTRA mehr Strafdaten gespeichert und die Zugangsrechte ausgedehnt werden. Als Gegengewicht wird auch der Datenschutz verbessert.

Kein Strafregister für Unternehmen

Neu sieht das Gesetz auch vor, verurteilte Unternehmen im Strafregister zu registrieren. Im Unternehmensstrafregister sollen alle rechtskräftigen,
kernstrafrechtlichen Entscheide eingetragen werden, welche in der Schweiz gegen
ein Unternehmen gefällt worden sind. Verurteilungen werden insbesondere dann
eingetragen, wenn die Busse 50‘000.- oder mehr beträgt oder wenn im
Wiederholungsfall eine Strafschärfung angedroht wird. Auch hängige Strafverfahren und rechtskräftige Einstellungsverfügungen sollen grundsätzlich ebenfalls eingetragen werden. Nur der Unternehmensträger (z.B. die Organe) wird eingetragen, keine natürlichen Personen. Der sgv anerkennt die Notwendigkeit einer Revision des Strafregister-Informationssystems mit Blick auf die natürlichen Personen, lehnt jedoch ein Strafregister für Unternehmen ab. Eine Mehrheit der vorberatenden Rechtskommission des Ständerates will ebenfalls kein Strafregister für Unternehmen. Eine Minderheit hält am Antrag des Bundesrates fest. Das Geschäft wird in der Sommersession behandelt.

Unternehmen sind wandelbare Gebilde
Im Gegensatz zu natürlichen Personen sind Unternehmen wandelbare Gebilde. Menschen werden geboren, leben und sterben. Unternehmen aber können aufgelöst und neu gegründet oder einer Umstrukturierung oder Neuregistrierung unterzogen werden. Kommt ein Unternehmen ins Visier der Strafjustiz, kann es liquidiert und aufgelöst werden. Der Nutzen an einem Unternehmensstrafregister entfällt. Eine
Umstrukturierung kann das Ziel haben, eine strafrechtliche Verfolgung zu
vereiteln oder zumindest zu erschweren. Eine Firma kann in den Konkurs
getrieben werden, dann ist sie nicht mehr strafrechtlich verfolgbar. Nach einer
Fusion ist die neue Firma nicht mehr jene, die das Verbrechen oder das Vergehen
begangen hat, das zum Eintrag führte. Identifikationsprobleme werden die Folge
sein. Das Strafregister für Unternehmen kann eine von aussen einsehbare
Verknüpfung zwischen der ersten, verurteilten und mittlerweile gelöschten Firma
und der Nachfolgeorganisation nicht mehr machen. Käufer oder neue
Geschäftsführer bzw. Organe werden wenig Interesse haben, die Verurteilung
ihrer Vorgänger zu übernehmen. Ein Strafprozess gegenüber einer natürlichen
Person, die stirbt, wird eingestellt. Bei einer Unternehmung kann das nicht der
Fall sein. Der Strafprozess müsste sich auf den Rechtsnachfolger bzw. die
Nachfolgefirma, soweit überhaupt gegründet und erkennbar, übertragen werden.

Beschränkter Nutzen
Ein weiterer Widerspruch öffnet sich zwischen grossen, börsenkotierten und
kleinen Firmen. Bedeutende, börsenkotierte Firmen, die verurteilt werden (z.B.
Grossbanken), sehen sich im Schussfeld öffentlicher Medienkritik. Der Nutzen
des Strafregistereintrages ist beschränkt. Die Öffentlichkeit weiss von der
Verurteilung. Kleinere, weniger im Fokus der Öffentlichkeit stehende Firmen
können sich nach einer Verurteilung einfacher auflösen und neu gründen. Diese
Problematik stellt sich vor allem in jenen Branchen, wo Firmen zwecks bestimmter Leistungen gegründet werden, um nach dem Bezug dieser Leistung rasch wieder liquidiert zu werden.

Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit
Die Wirtschaftsfreiheit ist eine zentrale Komponente im schweizerischen
politischen System. Mit dem Unternehmensstrafregister ist die Gefahr gross,
dass intakte Geschäftsbeziehungen zu Unrecht beeinträchtigt werden könnten,
insbesondere dann, wenn ein Wechsel der Führungscrew stattgefunden hat, die
nicht mehr für die Verfehlungen ihrer Vorgänger verantwortlich gemacht werden
kann. Hinsichtlich der tatsächlich ergangenen und den zu erwartenden Urteilen
ist die Führung eines Unternehmensstrafregisters schon aus
Kosten-Nutzen-Überlegungen nicht zu rechtfertigen.

Dieter Kläy, Ressortleiter