Dieter Kläy
Dieter Kläy

Klageindustrie verhindern

13.05.2022

Der Bundesrat will eine neue Verbandsklage zur Geltendmachung von Ersatzansprüchen schaffen und die Möglichkeit von gerichtlich für verbindlich erklärten Vergleichen vorsehen. Damit soll eine kollektive Rechtsdurchsetzung bei sogenannten Massen- und Streuschadensfällen möglich werden. Der Schweizerische Gewerbeverband sgv lehnt ein solches Ansinnen ab.

Bereits bei der Schaffung der Zivilprozessordnung, die 2011 in Kraft getreten ist und die kantonalen Strafprozessordnungen ablöste, wurden neue Instrumente des kollektiven Rechtsschutzes diskutiert. 2013 reichte SP-Nationalräten Priska Birrer-Heimo (LU) eine Motion ein und beauftragte den Bundesrat die «notwendigen Gesetzesänderungen auszuarbeiten, welche es einer grossen Anzahl gleichartig Geschädigter erleichtern, ihre Ansprüche gemeinsam vor Gericht geltend zu machen. Es sollen einerseits die bereits bestehenden Instrumente ausgebaut und andererseits auch neue Instrumente des kollektiven Rechtsschutzes geschaffen werden.» Die Motion rutschte oppositionslos durch die Räte. Offensichtlich wurde damals die politische Brisanz völlig verkannt. 

Erster Versuch: Bundesrat verzichtet

Mit einer Vernehmlassungsvorlage zur Revision der ZPO unterbreitete der Bundesrat 2018 einen Vorschlag für einen kollektiven Rechtsschutz. Der Schweizerische Gewerbeverband sgv lehnte den Vorschlag, dass eine klagende Organisation wie z.B. ein Verein in eigenem Namen finanzielle Ansprüche Angehöriger einer bestimmten Personengruppe geltend machen kann, ab. Geschädigten sollte ermöglicht werden, auf ein individuelles Gerichtsverfahren zu verzichten, weil sie das Kostenrisiko tragen müssten. Ein solcher Gruppenvergleich wäre für sämtliche betroffenen Personen durch Gerichtsbeschluss bindend. Zum Beispiel könnte ein die Interessen der Kundinnen und Kunden eines Haushaltgerätes in der Schweiz vertretender Verein eine Verbandsklage zur Geltendmachung des Schadens einreichen, welchen den einzelnen Kundinnen und Kunden dadurch entstanden ist, dass der Produzent ein mangelhaftes Gerät verkauft hat und diesen dadurch ein Schaden entstanden ist, weil das Produkt wertlos ist oder repariert werden muss. Aufgrund der negativen Rückmeldungen verzichtete der Bundesrat auf die Aufnahme des kollektiven Rechtsschutzes in seine Botschaft zur ZPO-Revision.

Neuer Anlauf für Verbandsklage 2021

Im Dezember 2021 unterbreitete der Bundesrat eine neue Botschaft für eine Verbandsklage zur Geltendmachung von Ersatzansprüchen sowie eine neue Möglichkeit von gerichtlich für verbindlich erklärten Vergleichen. An der Haltung des Schweizerischen Gewerbeverbandes sgv hat sich nichts geändert. Eine Verbandsklage wird aus verschiedenen Gründen abgelehnt:

  • Die Asymmetrie zuungunsten der Unternehmungen bzw. zugunsten der Konsumentinnen und Konsumenten wird einmal mehr ausgebaut.
  • Geschädigten wird ermöglicht, auf ein individuelles Gerichtsverfahren zu verzichten, weil sie das Kostenrisiko nicht tragen müssen. Die Schwelle für eine Klage sinkt und die Wahrscheinlichkeit des Missbrauchs steigt. Es könnte sich eine Klageindustrie und eine Verfahrensflut entwickeln.
  • Der Gruppenvergleich geht davon aus, dass die «Opfer» ihre Ansprüche geltend machen wollen und dass für alle diese Fälle identische Lösungen möglich sind, was aber gar nicht zutreffen muss.
  • Langfristig können sich für die Konsumentenschaft Nachteile ergeben, da die Unternehmer gezwungen werden, die entstandenen Kosten auf die Produkte zu überwälzen.
  • Umsetzungsprobleme und Schwierigkeiten in der praktischen Anwendung
  • Einmal installiert, eröffnet die Sammelklage die Möglichkeit für weitere Verschärfungen, wie z. B. die Gewinnabschöpfungsklage oder die Ausdehnung ins Straf- und ins Wettbewerbsrecht.

Die Konsequenz kann nur sein, gar nicht erst auf die Vorlage einzutreten und ein neues Bürokratiemonster zu verhindern.

Dieter Kläy, Ressortleiter