Mehr Flexibilität bei Kurzaufenthaltern
08.05.2015
Die am 9. Februar 2014 von einer Volksmehrheit angenommene Volksinitiative „Gegen Masseneinwanderung“ (Masseneinwanderungsinitiative MEI) erteilt der Politik zwei Aufträge: die Anpassung des Ausländergesetzes (AuG) sowie die Verhandlung zur Anpassung des Freizügigkeitsabkommens (FZA). Der Schweizerische Gewerbeverband sgv ist mit der Stossrichtung des Bundesrates einverstanden.
Das vom Bundesrat erarbeitete Zuwanderungssystem enthält jährliche Höchstzahlen und Kontingente für alle Ausländerinnen und Ausländer und sieht vor, dass bei Stellenbesetzungen inländischen Arbeitskräften Vorrang gewährt wird. Die Zulassung für EU-Bürgerinnen und -Bürger wird wie bisher im FZA geregelt, welches
entsprechend dem Verfassungsauftrag angepasst werden muss. Die Resultate der
angestrebten Verhandlungen mit der EU sind deshalb für den vorliegenden
Gesetzesentwurf von Bedeutung. Für Drittstaatenangehörige sind wir bis anhin Kontingente und Inländervorrang vorgesehen. Bereits Aufenthalte zur Erwerbstätigkeit ab vier Monaten Dauer werden den Höchstzahlen unterstellt, also Aufenthaltsbewilligungen wie auch Kurzaufenthaltsbewilligungen. Ebenso unterliegen Grenzgängerinnen und Grenzgänger, Familienangehörige, Nicht-Erwerbstätige sowie Flüchtlinge und vorläufig aufgenommene Personen den Höchstzahlen. Der Gesetzesentwurf sieht vor, dass der Bundesrat die Höchstzahlen und Kontingente festlegt. Der Vorschlag sieht weiter vor, dass der Inländervorrang im Einzelfall geprüft wird. Jedoch gibt es Ausnahmen bei Berufen mit ausgewiesenem Fachkräftemangel: Dort soll auf eine weitergehende Prüfung verzichtet werden. Diese Lösung trägt der unterschiedlichen arbeitsmarktlichen Situation in den verschiedenen Branchen Rechnung.
Proaktive Rolle des sgv
Der Schweizerische Gewerbeverband sgv, der das Volksbegehren aus Gründen eines
zunehmenden Fachkräftemangels nicht unterstützt hat, hat umgehend nach Annahme
der Initiative mit seinen Mitgliedern einen Lösungsvorschlag für die Umsetzung
der MEI entwickelt, den er dem Staatssekretariat für Migration unterbreitet
hat. Der vom Bundesrat unterbreitete Vorschlag nimmt die Vorschläge des sgv auf
und weicht nur in einigen Punkten ab. Der sgv unterstützt grundsätzlich den
Vorschlag des Bundesrats. Der Umsetzungsvorschlag respektiert den Entscheid des
Souveräns. Der sgv begrüsst, dass aus gesamtwirtschaftlichen Überlegungen keine
starren Reduktionsziele eingeführt werden sollen. Positiv zu vermerken ist,
dass auf Branchenkontingente verzichtet wird und die Kantone die Möglichkeit
erhalten, die Verteilung der vom Bundesrat festgelegten Höchstzahlen auf der
Grundlage von gemeinsam festgelegten Kriterien vorzunehmen.
Verbesserungspotenzial bei den Kurzaufenthaltern
Mehr Flexibilität fordert der sgv bei den Kurzaufenthaltern bis zu einem Jahr.
Kurzaufenthalter sollen gemäss Bundesrat nur während vier Monaten ausserhalb der Kontingente in der Schweiz arbeiten, obwohl der Verfassungstext hier viel mehr Raum zulässt. Der sgv fordert, dass der Handlungsspielraum konsequent genutzt und
Kurzaufenthalter während eines ganzen Jahres kontingentsfrei in der Schweiz
arbeiten dürfen.
Kontrolle der Lohn- und Arbeitsbedingungen summarisch
Der sgv fordert, dass die Lohn- und Arbeitsbedingungen nur summarisch bzw. in
Branchen mit einem allgemeinverbindlich erklärten Gesamtarbeitsvertrag nicht
geprüft werden. Kontrollen im Einzelfall sollen durch das paritätische Organ
erfolgen.
Anhörung der Sozialpartner genügt nicht
Der Vernehmlassungsentwurf sieht als Hauptvariante vor, dass der Bundesrat eine
Zuwanderungskommission einsetzt, die aus Vertreterinnen und Vertretern der
Migrations- und Arbeitsmarktbehörden des Bundes und der Kantone zusammengesetzt ist. Den Sozialpartnern ist in diesem Falle lediglich ein Anhörungsrecht zugedacht. Der sgv lehnt diesen Vorschlag ab und fordert, dass die Sozialpartner in der Zuwanderungskommission Einsitz nehmen und als vollwertige Mitglieder eine aktive, gestaltende Rolle spielen können. Ein Anhörungsrecht genügt nicht.
Dieter Kläy, Ressortleiter