Nicht noch mehr regulieren
18.10.2024
Am 1. Januar 2022 ist der indirekte Gegenvorschlag in Kraft getreten. Kaum drei Jahre danach will der Bundesrat die Bestimmungen an das verschärfte EU-Recht anpassen. Ein Unterfangen, das der sgv ablehnt.
Am 29. November 2020 lehnte die Stimmbevölkerung die Konzernverantwortungsinitiative ab. Sie verlangt, dass Schweizer Unternehmen prüfen müssen, ob im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit die international anerkannten Menschenrechte und Umweltstandards auch im Ausland eingehalten werden. Dabei müssen sie nicht nur ihre eigene, sondern auch die Tätigkeit ihrer Tochterunternehmen, Zulieferer und Geschäftspartner überprüfen. Falls nötig müssen sie Massnahmen ergreifen sowie Bericht erstatten. Schweizer Unternehmen sollen neu auch für Schäden haften, die von ihnen kontrollierte Unternehmen verursachen. Sie haften nur dann nicht, wenn sie beweisen können, dass sie die Sorgfaltsprüfungspflichten eingehalten haben (Umkehrung der Beweislast). Bereits während den Beratungen zur Volksinitiative beschloss das Parlament einen indirekten Gegenvorschlag mit Pflichten zur Transparenz über nichtfinanzielle Belange und Einhaltung von Sorgfaltspflichten. Dieser ist am 1. Januar 2022 in Kraft getreten.
Kosten-Nutzen der Massnahmen fraglich
Kaum haben sich die Firmen an diese neuen Standards angepasst, will der Bundesrat mit einer Revision des Obligationenrechts (OR) den Anwendungsbereich der Regelungen erweitern, indem der Schwellenwert «Vollzeitstellen» von bisher 500 auf 250 senkt. Neu soll es genügen, wenn nur zwei der drei Schwellenwerte (Vollzeitstellen, Umsatzerlös und Bilanzsumme) in zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren erfüllt sind. Die Möglichkeit, auf die Berichterstattung verzichten zu können, entfällt ebenfalls. Erweitert wird der Umfang der Angaben über Nachhaltigkeitsaspekte. Die Berichte über Nachhaltigkeitsaspekte müssen neu durch ein Revisionsunternehmen oder eine Konformitätsbewertungsstelle geprüft werden.
Generell ist bei neuen, erweiterten Regeln das Verhältnis zwischen Aufwand und Wirkung zu beachten. Im vorliegenden Vorschlag stehen hohe Regulierungskosten für Unternehmen einem nicht näher quantifizierbaren bzw. unklaren Nutzen gegenüber.
Bald auch KMU betroffen
Mit der generellen Senkung auf 250 Vollzeitstellen und der neuen Regelung, dass bei Überschreitung zweier von drei relevanten Grössen (CHF 25 Mio. Bilanzsumme, CHF 50 Mio. Umsatzerlös und 250 Vollzeitstellen im Jahresdurchschnitt) in zwei aufeinander folgenden Jahren die Berichterstattungspflicht ausgelöst wird, sind neu KMU grundsätzlich betroffen. Diese Ausdehnung lehnt der sgv ab.
Lernende berücksichtigen
Bei der Revision des Gleichstellungsgesetzes (GlG) und der Einführung der Lohnkontrollen werden zumindest Lernende von der Berechnung der Vollzeiteinheiten ausgenommen. Das scheint beui der vorliegenden OR-Revision keine Rolle zu spielen. Der sgv fordert, die Ausbildung von Lernenden viel stärker zu unterstützen und diese, analog der GlG-Revision, von der Berechnung der Vollzeiteinheiten auszunehmen.
Zu umfangreiche Rechenschaftspflicht
Über nicht weniger als 10 Punkte zur Nachhaltigkeit soll neu ein betroffenes Unternehmen Rechenschaft ablegen. Darunter fallen die Beschreibung des Geschäftsmodells und der Strategie des Unternehmens, die Beschreibung der zeitgebundenen Nachhaltigkeitsziele, die Beschreibung der Unternehmenspolitik hinsichtlich der Nachhaltigkeit, Angaben über allfällige Anreizsysteme, die mit Nachhaltigkeitsaspekten verknüpft und vieles mehr. Der Katalog ist zu umfangreich und muss gestrafft werden.
Zudem sieht der Gesetzesentwurf vor, dass Konformitätsbewertungsstellen wie z.B. die SQS de facto zu Revisionsstellen unter Aufsicht der Revisionsaufsichtsbehörde werden müssten, um Nachhaltigkeitsaspekte im gesetzlich geregelten Bereich verifizieren zu dürfen. Übermässige Anforderungen an Schweizer Revisionsunternehmen und damit eine künstliche Verknappung der Verifizierungskapazitäten lehnt der sgv ab. Konformitätsbewertungsstellen wie die SQS sollen im Sinne der Wahlfreiheit ebenfalls partizipieren können.
Dieter Kläy, Ressortleiter