Parlament stärkt den sozialen Frieden
20.01.2023
Ganz knapp, mit 95 zu 93 Stimmen bei 4 Enthaltungen hat der Nationalrat in der vergangenen Wintersession der Motion «Sozialpartnerschaft vor umstrittenen Eingriffen schützen» zugestimmt und den Entscheid des Ständerats bestätigt. Damit sollen Bestimmungen eines allgemeinverbindlich erklärten Gesamtarbeitsvertrags (ave GAV) zu Mindestlohn, 13. Monatslohn und Ferienanspruch anderslautenden Bestimmungen der Kantone vorgehen. Eine breite Allianz aus 27 Wirtschafts- und Branchenverbänden, darunter der Schweizerische Gewerbeverband sgv, hat sich durchgesetzt.
Die Motion «Sozialpartnerschaft vor umstrittenen Eingriffen schützen» verlangt, dass die Bestimmungen eines allgemeinverbindlich erklärten Gesamtarbeitsvertrags (ave GAV) zu Mindestlohn, 13. Monatslohn und Ferienanspruch anderslautenden Bestimmungen der Kantone vorgehen, so, wie das vor dem umstrittenen Urteil des Bundesgerichts zum Mindestlohn im Kanton Neuenburg aus dem Jahr 2017 der Fall gewesen ist. Bei allen anderen arbeitsrechtlichen Bestimmungen behalten die Kantone das Recht, selbst in ave GAV einzugreifen.
Kritik der Gegner nicht nachvollziehbar
Für ave GAV braucht es den Willen der Sozialpartner, also der Gewerkschaften und der Arbeitgeber. Zudem prüft das Staatssekretariat für Wirtschaft SECO gewisse Mindestanforderungen gemäss Bundesgesetz über die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen, wie z.B. die Quoren. Am GAV müssen mehr als die Hälfte aller Arbeitgeber und mehr als die Hälfte aller Arbeitnehmer, auf die der Geltungsbereich des GAV ausgedehnt werden soll, beteiligt sein. Mit der Allgemeinverbindlicherklärung -eines GAV ist immer auch eine Einschränkung der Wirtschaftsfreiheit verbunden. Der in den Medien von Gewerkschaften und Linken geäusserte Vorwurf der „Sabotage der Sozialpartnerschaft“ ist nicht nachvollziehbar und hält einer näheren Prüfung nicht stand. Ganz im Gegenteil. Hätte das Bundesgericht 2017 den Eingriff des Kantons Neuenburg in vom Bundesrat beschlossene ave GAV nicht geschützt, wäre es wohl nie zu dieser Motion gekommen. Seit diesem umstrittenen Bundesgerichtsurteil ist klar geworden, dass kantonale Massnahmen wie z.B. höhere Mindestlöhne Bestimmungen eines ave GAV aushebeln können. Mit der Annahme der Motion macht das jetzt Parlament deutlich, dass eine Übersteuerung von ave GAV nicht mehr möglich sein darf.
Rechtsunsicherheit beseitigt – Sozialpartnerschaft bewahrt
Was macht es für einen Sinn, wenn Sozialpartner auf nationaler Ebene Mindestlöhne verhandeln, der Bundesrat diese für allgemeinverbindlich erklärt und regional das Verhandlungsergebnis unterlaufen wird? Insbesondere überregional agierenden Unternehmen erschwert das die Tätigkeit und führt zu grosser Rechtsunsicherheit für die Unternehmen. Branchen mit ave GAV werden gegenüber denjenigen ohne ave GAV benachteiligt, da sie nicht berücksichtigen, dass ave GAV das Arbeitsverhältnis umfassend regeln und im Gegensatz zu Branchen ohne GAV Mindeststandards sicherstellen, die über die Mindestlöhne hinausgehen. Mit der Annahme der Motion durch National- und Ständerat wird auch die bestehende Rechtsunsicherheit beseitigt. Der Entscheid bewahrt die Sozialpartnerschaft und damit ein Erfolgsmodell, das seit über 100 Jahren den sozialen Frieden garantiert.
Dieter Kläy, Ressortleiter