Völlig unrealistisch
28.04.2023
In einem Wahljahr wie 2023 stellt die Linke nicht bloss zum xten Mal die Forderung nach höheren Mindestlöhnen. Diesmal sollten es mindestens 5000 Franken sein - und zwar direkt nach der Lehre. Solche Begehren schaden der Sozialpartnerschaft ebenso wie der dualen Berufsbildung.
Nachdem der Souverän im Mai 2014 den nationalen Mindestlohn mit 75% der Stimmen an der Urne versenkt hat, werden laufend neue Ideen präsentiert, wie der Mindestlohn dennoch durch die Hintertüre eingeführt werden kann. Der Schweizerische Gewerbeverband sgv lehnt staatlich diktierte Löhne ab.
Initiativen für kantonale und kommunale Mindestlöhne
Auf kantonalem Weg sind entsprechende Initiativen in Basel-Stadt, Neuenburg, Jura und Tessin sowie Genf erfolgreich gewesen. Auch auf kommunaler Ebene sind entsprechende Forderungen laut geworden. In Kloten (ZH) ist eine Mindestlohninitiative gescheitert. Am 18. Juni 2023 kommen Mindestlöhne in Winterthur und Zürich zur Abstimmung. Der Schweizerische Gewerbeverband sgv lehnt staatlich diktierte Mindestlöhne ab. Sie unterlaufen sozialpartnerschaftlich vereinbarte Lösungen.
Mindestlohn von 5000.- nach der Lehre?
Die neuste, vergangenen März von den Gewerkschaften gestellte Forderung ist ein Mindestlohn von 5'000.- nach erfolgreich absolvierter Lehre. Argumentiert wird mit sinkenden Reallöhnen bei Lehrabgängerinnen und Lehrabgängern und höheren Löhnen bei Hochschulabsolventinnen und -absolventen. Die 5'000.- sollten in den Gesamtarbeitsverträgen vereinbart werden. In den Kantonen staatlich festgelegte Mindestlöhne würden dann die in den GAV vereinbarten Mindestlöhne nicht übersteuern.
Gleich mehrfacher Irrtum
Die Forderung nach 5'000.- Mindestlohn nach der Lehre ist aus verschiedenen Gründen nicht realistisch. Tieflohnbranchen können Lehrabgängerinnen und Lehrabgängern nicht einen Lohn von 5000 Franken pro Monat zahlen. Die Wahrscheinlichkeit, dass bei einer solchen Forderung in solchen Branchen nur noch Praktika angeboten würden, ist gross. Solche Entwicklungen schaden der dualen Berufsbildung und werten sie ab. Strukturschwächere Regionen, wo solche Mindestlöhne unmittelbar nach Lehrabschluss nicht bezahlt werden können, verlieren weiter an Wettbewerbsattraktivität und Stärke. Der Druck zur Abwanderung junger Leute steigt noch mehr.
5000.- Mindestlohn kommt, auch wenn im GAV geregelt, einem faktischen Diktat gleich. Massgeschneiderte Lösungen, wie sie in der Sozialpartnerschaft üblich sind, werden behindert oder gar verunmöglicht und die Sozialpartnerschaft abgewertet.
Weiterqualifikation wichtig
Erfolgreiche Absolventinnen und Absolventen bilden sich weiter und absolvieren idealerweise eine höhere Fachschule oder machen eine eidgenössische Berufsprüfung oder eine eidgenössische höhere Fachprüfung. Die Höhere Berufsbildung (HBB) bietet Personen mit einem eidgenössischen Fähigkeitszeugnis (EFZ) die Möglichkeit, eine Tertiärausbildung zu absolvieren. Ende 2020 wurden in der Schweiz mehr als 25 000 neue Abschlüsse verbucht. Kürzlich ist aus einer Analyse des Bundesamtes für Statistik bekannt geworden, dass sechs Jahre nach Erwerb eines Abschlusses der HBB das monatliche Medianeinkommen der Absolventinnen und Absolventen rund 7800 Franken für eine Vollzeitstelle beträgt. Fünf Jahre vor dem Abschluss belief sich ihr Einkommen auf 5300 Franken, was eine Zunahme von 46% bedeutet.
Das zeigt, dass eine Weiterqualifikation lukrativ ist und der persönlichen Entwicklung dient, umso mehr, als dass jährlich 14'000 bis 15'000 KMU vor der Nachfolgeregelung stehen und Personal benötigt wird, das das fachliche Branchenwissen und die Fähigkeit hat, eine Unternehmung leiten und weiterentwickeln zu können.
Dieter Kläy, Ressortleiter