Dieter Kläy
Dieter Kläy

Wieviele Stipendien sind vertretbar?

28.04.2015

Die Stipendieninitiative, die am 14. Juni zur Abstimmung kommt, verfolgt drei Ziele. Erstens geht es um eine Zentralisierung. Die Vergabe von Ausbildungsbeiträgen und ihre Finanzierung soll der Bund regeln. Zweitens wird eine Angleichung der Beiträge gefordert und drittens sollen die Stipendien derart erhöht werden, dass die Studierenden einen gesicherten Lebensunterhalt haben. Die dritte Forderung geht zu weit. Es ist nicht Aufgabe des Staates, für den Lebensunterhalt der Studierenden aufzukommen. Die Stipendieninitiative ist
deshalb abzulehnen.

Die im Januar 2012 mit mehr als 117‘000 Unterschriften vom Verband der
Schweizer
Studierendenschaften (VSS) eingereichte Initiative hat eine Harmonisierung der Stipendienvergabe zum Ziel. Zu diesem Zweck soll die Rechtssetzungskompetenz für den tertiären Bildungsbereich von den Kantonen auf dem Bund verlagert werden. Zurzeit werden die Kantone für ihre Leistungen an Studierende der Hochschulen oder der höheren Berufsbildung vom Bund unterstützt. Die vom VSS geforderte Kompetenzverlagerung macht eine Änderung von Art. 66 der Bundesverfassung (Ausbildungsbeiträge) notwendig. Die Volksinitiativemöchte, dass Schweizer Studierende Ausbildungsbeiträge erhalten können, die ihnen einen minimalen Lebensstandard garantieren. Zudem soll der Bund bei der Finanzierung des Stipendienwesens stärker in die Pflicht genommen werden

Harmonisierung begrüssenswert

Zwar ist eine Harmonisierung des Stipendienwesens durchaus begrüssenswert. Im Juli2013hat der Bundesrat als indirekten Gegenvorschlag einen Entwurf mit Botschaft
zu einer Totalrevision des Ausbildungsbeitragsgesetzes verabschiedet. Dabei möchte er die Anspruchsberechtigung der Studierenden sowie die Festlegung der Höhe der Ausbildungsbeiträge weiterhin den Kantonen überlassen. Bereits 2009 wurde auf
kantonaler Ebene eine interkantonale Vereinbarung zur Harmonisierung von
Ausbildungsbeiträgen (Stipendienkonkordat)
beschlossen, mit dem Ziel, die 26 kantonalen Stipendiengesetzgebungen zu harmonisieren. Zudem wollte man gesamtschweizerische Grundsätze und Mindeststandards für die Vergabe von Ausbildungsbeiträgen für Ausbildungen auf der Sekundarstufe II und der Tertiärstufe festlegen. Das sind alles Schritte in die richtige Richtung. Die Totalrevision des
Ausbildungsbeitragsgesetzes wurde im Dezember 2014
im National- und im Ständerat verabschiedet. Auch das Konkordat ist zustande gekommen. Eine Verschiebung des Stipendienwesens von den Kantonen zum Bund ist falsch und stellt die Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen und damit den Nationalen Finanzausgleich (NFA) in Frage. Der Bund soll grundsätzlich dann eine Aufgabe erfüllen, wenn die Kantone sie nicht wahrnehmen können. Das ist im Stipendienwesen nicht der Fall.   

Stipendieninitiative geht zu weit

Auch die Forderung, dass die Initiative einen minimalen Lebensstandard ermöglichen soll, geht zu weit. Es ist nicht Aufgabe des Staates, umfassend für den Lebensunterhalt der Studierenden aufzukommen, auch wenn der Initiativtext nur von einem „minimalen Lebensstandard“ spricht. De facto wird ein bedingungsloses Grundeinkommen geschaffen, was ein gefährliches Präjudiz ist. Für alle
jene, die nicht die Möglichkeit haben zu studieren, wäre das eine Zumutung.
Andere
Anspruchsgruppen könnten die gleiche Forderung stellen. Bereits heute subventioniert der Staat die Studierenden stark. Die Studiengebühren decken die Aufwendungen nur zu einem Bruchteil.    

Stärkung der höheren Berufsbildung

Stipendien sind im Grundsatz gerechtfertigt und notwendig. Schliesslich sollen auch
Studierende, die wirklich mittellos sind, eine Chance haben. Die Frage ist allerdings, wie weit das gehen soll und ob es zusätzliche Möglichkeiten gibt. Aus gewerbepolitischer Sicht macht es Sinn, mehr finanzielle Mittel für Eidgenössischen Berufsprüfungen bereitzustellen.
Absolventinnen und Absolventen der Höheren Berufsbildung sollen gegenüber Studierenden an einer Uni nicht länger benachteiligt werden. Mit der Umstellung auf die subjektbezogene Finanzierung anerkennt der Bundesrat, dass diese bei den Vorbereitungskursen finanziell stärker unterstützt werden müssen. Dies ist ein wichtiger Schritt. Das Commitment für die Berufsbildung ist allerdings nur ein halbes. Für eine wirkungsvolle Stärkung der Berufsbildung sind mindestens zusätzlich 100 Millionen Franken jährlich notwendig.


Dieter Kläy, Kantonsrat, Präsident der Berufsbildungskommission des kantonalen Gewerbeverbandes Zürich (KGV)